Schlagwortarchiv für: BGH

Update Fluggastrechte

An dieser Stelle möchten wir Ihnen in Zukunft aktuelle Urteile aus dem Fluggastrecht gesammelt präsentieren. Die Sammlung inklusive weiterführender Links wird regelmäßig erweitert, der jeweils aktuellste Beitrag findet sich oben.

 

Streik der eigenen Beschäftigten ist regelmäßig kein „außergewöhnlicher Umstand“

Mitte Februar 2024 streikten wieder die Beschäftigten der Deutschen Lufthansa AG, Lufthansa Technik, Lufthansa Cargo und weiterer Gesellschaften. Kurz davor waren es die Piloten der Tochtergesellschaft Discover. Für die Passagiere gut zu wissen: Ein von einer Gewerkschaft der Beschäftigten eines Luftfahrtunternehmens organisierter Streik ist kein „außergewöhnlicher Umstand“, der die Fluggesellschaft von ihrer Verpflichtung zur Leistung von Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechteverordnung wegen Annullierung oder großer Verspätung der betroffenen Flüge befreien könnte – EuGH, Urteil vom 23. März 2021, Az.: C-28/20.

 

Schnellstmögliches Angebot eines Ersatzfluges

Fluggesellschaften, die einen Flug wegen eines außergewöhnlichen Umstands annullieren, müssen betroffenen Fluggästen den schnellstmöglichen Ersatz anbieten. Sonst ist eine Entschädigung fällig, wie der BGH in einem recht aktuellen Urteil bestätigte. Passagiere hätten einen Anspruch auf frühestmögliche anderweitige Beförderung, wenn dies gemäß Art. 5 Abs. 3 Fluggastrechteverordnung für die Airline zumutbar sei – BGH, Urteil vom 10.10.2023 – X ZR 123/2.

 

Fluggäste dürfen selbst über Zeitpunkt einer Ersatzbeförderung entscheiden

Bei einer Flugannullierung haben Passagiere die Wahl zwischen Erstattung des Flugpreises und einer Ersatzbeförderung. Entscheiden sie sich für die Ersatzbeförderung, muss die Airline die Umbuchung entgeltfrei und unter vergleichbaren Bedingungen erbringen. Passagiere,können danach selbst bestimmen, wann den gewählten kostenlosen Ersatzflug antreten, Voraussetzung ist lediglich, dass Plätze verfügbar sind, ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang mit dem usrsprünglichen Flug ist nicht erforderlich – BGH, Urteil vom 27. Juni 2023 – X ZR 50/22.

 

Begriff des „direkten Anschlussfluges“

Bei einer mit Umstiegen verbundenen Flugreise, die in der EU startet, hat der Passagier bei Verspätungen auch dann Anspruch auf eine Entschädigung, wenn diese erst bei einem Teilflug außerhalb der EU auftritt. Egal ist dabei, ob die direkten Anschlussflüge von unterschiedlichen, nicht rechtlich miteinander verbundenen Airlines durchgeführt werden. Entscheidend ist, dass die Flüge von einem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurden und ein einheitlicher Flugschein im Sinne der EU-Fluggastrechte-Verordnung ausgegeben wurde – BGH, Urteil vom Urt. v. 16.06.2023, Az. X ZR 15/20.

 

 

 

 

 

 

BGH – Zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Widerrufs eines Partnervermittlungsvertrags

Der  III. Zivilsenat hat heute entschieden, dass der Kunde einer Partnervermittlungsagentur sein Widerrufsrecht nicht schon dadurch verliert, dass diese die geschuldete Anzahl von Partnervorschlägen zusammenstellt. Auch wenn allein dies in den AGB bereits als „Hauptleistung“ bestimmt ist, müssen die Vorschläge dem Kunden überlassen werden.

Zum Sachverhalt

Die Klägerin schloss in ihrer Wohnung im Verlauf eines Vertreterbesuchs der beklagten Agentur einen Partnervermittlungsvertrag, wonach die Beklagte als „Hauptleistung“ 21 Partnervorschläge (Partnerdepot) zusammenstellen sollte. Dadurch sollten 90 % und durch die „Verwaltung und Aktualisierung des Partnerdepots für die Dauer der Vertragslaufzeit von 12 Monaten“ 10% der Vermittlungsgebühren entfallen. Außerdem unterzeichnete die Klägerin, über ihr Widerrufsrecht belehrt, eine ausdrückliche Erklärung, dass die Beklagte sofort mit der Dienstleistung aus dem Partnervermittlungsvertrag beginnen soll. Ihr sei der Verlust des Widerrufsrecht bewusst, sofern der Vertrag seitens der Beklagten vollständig erfüllt sei.

Danach zahlte die Klägerin an die Beklagte das vereinbarte Honorar von 8.330 €. Am selben Tag übermittelte die Beklagte der Klägerin 3 Kontakte, welche die Klägerin nicht ansprachen. Die Klägerin „kündigte“ sodann nach einer Woche den Vertrag. Die Beklagte meint, vertragsgemäß das Partnerdepot erstellt und damit ihre Leistung vollständig erbracht zu haben.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof hat die gegen ihre Verurteilung zur Rückzahlung gerichtete Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die Klägerin konnte 7.139 € von der Beklagten zurückverlangen. Der von der Klägerin erklärte Widerruf sei wirksam. Das Widerrufsrecht der Klägerin sei nicht gemäß § 356 Abs. 4 BGB ausgeschlossen gewesen.

Für die Auslegung, welche Pflichten Hauptleistungspflichten sind, ist entscheidend, worauf es der einen oder der anderen Partei in hohem Grade ankam, was sie unter allen Umständen erlangen wollte. Nach diesen Maßstäben hat s die Beklagte ihre Leistung nicht vollständig erbracht. Für den Kunden sei allein die Zusendung der ausführlichen Partnervorschläge mit Namen und Kontaktdaten von Bedeutung, nicht deren „Zusammenstellung“. Diese Leistung hatte die Beklagte zum Zeitpunkt des Widerrufs nur zu einem geringen Teil erbracht. Darüber hinaus ist der Kunde auch darauf angewiesen, dass die Partnervorschläge zu dem Zeitpunkt, zu dem er sie zu einer Kontaktanbahnung nutzt, noch aktuell und bis dahin gegebenenfalls ergänzt und aktualisiert worden sind. Für ein anderes Verständnis könne sich die Beklagte nicht auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen berufen,  deren Bestimmung gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei.

Für die Berechnung des Wertersatzes der Beklagten sei die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union maßgeblich. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. Oktober 2020 sei der geschuldete Betrag zeitanteilig bemessen am vereinbarten Gesamtbetrag zu berechnen, hier  1.191 €. Eine Ausnahme läge hier nicht vor.

 

BGH, Urteil vom 6. Mai 2021 – III ZR 169/20; Quelle: Bundesgerichtshof – Pressemitteilung Nr. 92/21 vom 6.5.2021

 

FluggastrechteVO – Annullierung eines Flugs wegen Streik

Die Frage, ob und wann ein Streik dazu führt, dass Passagiere keine Ansprüche gegen die Fluggesellschaft wegen Flugausfall oder Flugverspätung haben, beschäftigt immer wieder die Gerichte.  Weitere Infos zum Thema finden Sie in unserem Newsarchiv oder über die Suchfunktion oben rechts. Oft führt ein Streik dazu, dass ein so genannter außergewöhnlicher Umstand für die Fluggesellschaft angenommen wird.

Bestreikung der Passagierkontrollen am Startflughafen

Der Bundesgerichtshof hat allerdings kürzlich entschieden, dass den Passagieren eines annullierten Flugs auch dann ein Anspruch auf Ausgleichszahlung zustehen kann, wenn die Passagierkontrollen am Startflughafen bestreikt wurden und deshalb nicht gewährleistet war, dass alle Passagiere den Flug erreichen konnten.

Leitsätze:

a) Bei einem Streik geht die Annullierung eines Flugs nur dann auf außergewöhnliche Umstände zurück, wenn der Streik zu Folgen führt, die sich mit zumutbaren Maßnahmen nicht abwenden lassen, und wenn diese Folgen die Annullierung rechtlich oder tatsächlich notwendig machen.

b) Die Notwendigkeit einer Annullierung des Flugs ergibt sich nicht allein daraus, dass zahlreiche für den Flug gebuchte Passagiere infolge eines Streiks der Beschäftigten an den Passagierkontrollen den Flug nicht rechtzeitig erreichen können.

c) Die Annullierung eines Flugs geht nicht auf außergewöhnliche Umstände zurück, wenn bei einem Streik der Beschäftigten an den Passagierkontrollen die Luftsicherungsbehörden keine besonderen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr (wie die Schließung der Kontrollstellen oder die Räumung des Abflugbereichs) ergriffen haben und lediglich die abstrakte Gefahr besteht, dass die Überprüfung der Fluggäste wegen des starken Andrangs auf nur wenige besetzte Kontrollstellen nicht mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt worden sein könnte.

BGH, Urteil vom 4. September 2018 – X ZR 111/17

 

Anspruch eines Neuwagenkäufers auf Ersatzlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs

Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. Oktober 2018, VIII ZR 66/17

Der BGH hat ganz aktuell entschieden, unter welchen Umständen der Käufer eines Neuwagens einen anderen Neuwagen verlangen kann, wenn das gekaufte Auto falsche Warnmeldungen anzeigt. Die Entscheidung des BGH lässt sich auch auf andere Streitfälle übertragen, bei denen ein Käufer mangelhafte Ware erhalten hat. Der BGH entschied, dass der Käufer einen Neuwagen sogar dann verlangen kann, wenn er das mangelhafte Kfz erst versucht hat, reparieren zu lassen.

Neuwagen trotz vorheriger Reparaturversuche

Geklagt hatte der Käufer eines BMW. Das Fahrzeug zeigte wiederholt eine Warnmeldung dahingehend, dass die Kupplung zu heiß sei. Er sollte deshalb immer wieder eine Dreiviertelstunde die Weiterfahrt unterbrechen, um die Kupplung abkühlen zu lassen. Später stellte sich heraus, dass die Kupplung völlig in Ordnung war. Dem Händler gelang mit mehreren Versuchen trotzdem nicht den Mangel hinsichtlich der fehlerhaften Warnmeldungen zu beheben. Der Autokäufer hat laut § 439 BGB in derartigen Fällen die Wahl: Er kann verlangen, dass das Auto repariert wird – oder er verlangt einen anderen Neuwagen als Ersatz . Nach dem neuen Urteil des BGH kann er einen Neuwagen auch dann verlangen, wenn er das Kfz zuvor reparieren lassen wollte. Diese Fallvariante war bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden.

Verhältnismäßigkeit

Die Forderung nach einem weiteren Neuwagen darf jedoch nicht unverhältnismäßig sein. Laut BGH sei im vorliegenden Fall die Gebrauchsfähigkeit des Kfz durch die falschen Warnmeldungen stark eingeschränkt. Mithin sei es nicht unverhältnismäßig, wenn der Käufer einen anderen Neuwagen verlange. Könne der Verkäufer den Mangel allerdings ohne Probleme beseitigen, müsse der Käufer eine Reparatur akzeptieren.

Der BGH verwies den konkreten Fall an die Vorinstanz zurück. Dort muss das Gericht klären, ob der ursprüngliche Fehler evtl. doch noch behoben werden konnte. Denn der Händler hatte zwischenzeitlich ohne Absprache mit dem Käufer eine neue Software aufgespielt, wodurch dem Händler nach der Mangel behoben worden sei.

Pressemeldung des BGH

Haftung für offenes WLAN: BGH-Urteil zur Störerhaftung im Volltext

Kürzlich haben wir bereits über das Urteil berichtet und von der Volltextveröffentlichung mehr erwartet. Die Hoffnung war leider unbegründet. Das 26-seitige Urteil des Bundesgerichtshofes, bereits als das „Ende der Störerhaftung“ in den Medien gefeiert, ist inhaltlich unseres Erachtens dünn.

Wir haben einen Kommentar dazu verfasst, abrufbar unter https://www.facebook.com/Anwalt.Bremen.Nord.

Mehr gibt es dazu auch – leider – im Moment eigentlich nicht zu sagen. Also wird es weiterhin wenig freies WLAN in der Fläche in Deutschland geben. Wahrscheinlich bekommen wir wieder einen Wildwuchs an Instanzrechtsprechung quer durch das ganze Land dazu – Rechtssicherheit ist etwas anderes.