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Poliscan Speed – Verfahrenseinstellung vor dem AG Bremen

In einem Bußgeldverfahren vor dem Amtsgerich Bremen haben wir erneut einen Erfolg für den Mandanten verbuchen können, diesmal etwas spezieller. Dem Mandanten war eine deutliche Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen worden. Geblitzt wurde er mit dem Messgerät Poliscan Speed. Das Geschwindigkeitsmessgerät ist immer wieder der Kritik von Verkahrsanwälten und anderen Fachleuten ausgesetzt, gilt jedoch unter denen, die es einsetzen, als unfehlbar.

An der Unfehlbarkeit darf weiter gezweifelt werden. So auch hier. In der Verteidungsschrift hatten wir Einspruch gegen den Bußgeldbeischeid des Stadtamtes Bremen eingelegt und diversen Kritikpunkte an der Messung vorgetragen. U.a. war das Beweisfoto seltsam belichtet und wies eine Art Tunnelblickperspektive auf.

Weder das Stadtamt noch das Gericht wollte sich augenscheinlich für die Argumente interessieren. Das Verfahren lief über Monate ereignislos. Zwei Hauptverhandlungstermine wurden aufgehoben.

Plötzlich erging aus heiterem Himmel ein Einstellungsbeschluss des Amtsgerichts. Der Beschluss des AG Bremen im Volltext:

Amtsgericht Bremen
Beschluss
74 OWi 620 Je 4206116 (4311 6)

In der Bußgeldsache gegen
XXXX YYYY,
geboren am XX.YY.ZZZZ in P., wohnhaft H., 28717 Bremen, Staatsangehörigkeit: nicht bekannt,
Verteidiger: Rechtsanwalt Christoph Birk, Rotdornallee 1 A, 28717 Bremen
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat das Amtsgericht – Abteilung für Straf- und Bußgeldsachen – Bremen durch die Richterin am Amtsgericht XXXX am 01.11.2016 beschlossen:
Das Verfahren wird wegen eines Verfahrenshindernisses gemäß 206a Strafprozessordnung
(StPO) i.V.m. § 46 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) auf. Kosten der Staatskasse eingestellt.
Die notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Staatskasse nicht auferlegt (§ 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG).
Gründe:
Es besteht ein Verfahrenshindernis nach § 206a StPO, da eine ordnungsgemäße Akte nicht vorliegt und auch nicht vorgelegt werden kann. Übersandt wurde der Ausdruck einer bei der Verwaltungsbehörde elektronisch geführten Akte, die nicht die von § 110 b Abs. 2 OWiG vorgeschriebenen Vermerke aufweist, obwohl die Akte offensichtlich eingescannte Dokumente enthält. § 110b Abs. 3 OWiG regelt, dass ein elektronisches Dokument, das unter Beachtung von § 110b Abs. 2 OWiG erstellt wurde, grundsätzlich die Papierakte ersetzt und für das Verfahren zugrunde zu legen ist. Ein Ausdruck dieseselektronischen Dokuments kann dann auch nach §§ 110b Abs. 3, 110d Abs. 3 OWiG für das gesamte weitere Verfahren, also auch das Gerichtsverfahren, die Akte darstellen. Wenn aber die elektronische Akte nicht ordnungsgemäß erstellt wird, dann ist der Ausdruck der elektronischen Akte im Umkehrschluss
zu §§ 110b Abs. 3, 110d Abs. 3 OWiG nicht dem Verfahren zugrunde zu legen.
Entgegen § 110b Abs. 2 S.3 OWiG konnten trotz Anforderung binnen zwei Monaten weder die Originalunterlagen noch ein dem § 110b Abs. 2 OWiG entsprechender Ausdruck von der Verwaltungsbehörde vorgelegt werden, weshalb davon ausgegangen werden muss, dass eine ordnungsgemäße Akte vor Verjährungseintritt auch nicht mehr hergestellt werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO, wobei zu berücksichtigen war, dass bei Übersendung der Unterlagen im Original oder mit Vermerken nach § 110b Abs. 2 OWiG aufgrund der vorliegenden Ausdrucke davon auszugehen ist, dass eine Verurteilung des Betroffenen wegen der ihm vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war.

Das Ergebnis zählt. Für den Mandanten bleibt der angebliche Tempoverstoß damit folgenlos. Die Begründung ist letztlich skurril. Was genau dahinter steckt, wird man nicht mehr ermitteln können.

Jedenfalls zeigt das Verfahren, nach den uns vorliegenden Informationen kein Einzelfall, dass sich selbst in vermeintlich aussichtslosen Fällen die Verteidigung gegen einen Bußgeldbescheid lohnen kann. In der Regel ist dies leider nicht ohne anwaltliche Hilfe erfolgversprechend.

Neue Urteile zum Thema „Handy am Steuer“

Man sollte die Einzelfallrechtsprechung einiger Gerichte nicht als Freifahrtschein betrachten, denn in der Regel wird man doch eher verurteilt, nachdem man erwischt wurde, während man ein Mobiltelefon oder Smartphone am Steuer eines Fahrzeuges in der Hand hält.

Allerdings ist es tatsächlich so, dass es immer mehr Sachverhalte gibt, bei denen die Gerichte davon absehen, den Straßenverkehrsverstoß als Ordnungswidrigkeit zu ahnden. So wurde kürzlich vor dem Leverkusener Amtsgericht das Verfahren gegen einen Fahrer eingestellt, der angab, er habe das heruntergefallene Handy aus dem Fußraum aufgehoben und sich dann damit instinktiv im Gesicht gekratzt, da er dort eine juckende Stelle hatte.

Vertiefende Hinweise und weitere Urteile zum Thema finden Sie in unserem Rechtstipp unter anwalt.de/anwaltskanzlei-birk/rechtstipps.php.