PoliScan speed – Geschwindigkeitsmessungen grundsätzlich nicht verwertbar?
PoliScan speed ist ein System der Firma Vitronic zur Geschwindigkeitsüberwachung. Die Geräte gibt es sowohl in einer Version für den mobilen Einsatz als auch als stationäre „Blitzersäule“.
Das System ist seit Beginn seines Einsatzes hochgradig umstritten. Vom Hersteller und den Behörden als Wunderwaffe gegen Raser gepriesen, erlangte es zunächst hauptsächlich wegen mutmaßlicher Softwareprobleme (Version 1.5.3 und 1.5.4) und damit verbundenen wahrscheinlichen Messfehlern Berühmtheit.
Nach mehreren Software-Updates sollen diese Probleme aktuell nicht mehr bestehen. Zudem gilt das System nach der Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte als „standardisiertes Messverfahren“. Die Messung mit einem solchermaßen anerkannten Messverfahren darf vom Bußgeldrichter, vereinfacht gesagt, ohne weiteres Aufheben als fehlerfrei angesehen werden. Der Tatrichter muss sich nur dann von der tatsächlichen Richtigkeit der Messung überzeugen – gegebenenfalls durch ein Sachverständigengutachten -, wenn beim festgestellten Sachverhalt konkrete Anhaltspunkte für Messfehler gegeben sind.
Die Verteidigung in Bußgeldangelegenheiten, in denen dem Betroffenen ein mittels eines standardisierten Messverfahrens festgestellter Verkehrsverstoß vorgeworfen wird, unterliegt daher gewissen Schwierigkeiten. So auch beim PoliScan speed-System, aktuell in der Version 1.5.5 bzw. 3.2.4.
Allerdings gibt es jetzt neue Hoffnung für Betroffene. In den letzten Monaten wurden mindestens vier Urteile deutscher Amtsgerichte gefällt, die sich gegen die Einstufung des PoliScan speed-Systems als „standardisiert“ gewendet haben. Die entsprechenden Amtsrichter erklärten die fraglichen Geschwindigkeitsmessungen auch ohne konkrete Anhaltspunkte für nicht verwertbar.
Dies wird damit begründet, dass beim PoliScan speed eine nachträgliche Überprüfung des Messvorgangs nicht möglich sei, und zwar noch nicht einmal durch einen Sachverständigen. Die Herstellerfirma Vitronic weigere sich nämlich beharrlich, das exakte Verfahren der Messwertbildung beim Poliscan speed offen zu legen, und zwar aus angeblich patentrechtlichen Gründen.
Das bedeutet, dass mutmaßliche Geschwindigkeitsüberschreitungen nachträglich nur auf Plausibilität überprüft werden können. Dieser Umstand reicht jedoch für eine Verurteilung nicht aus, was grundsätzlich als eigentlich selbstverständlich gelten sollte. Zu diesem Ergebnis sind nun eben auch die vier Amtsgerichte gelangt – vgl. Amtsgericht Aachen, Urteil vom 10.12.2012, 444 OWi-606 Js 31/12-93/12; Amtsgericht Herford, Urteil vom 11.03.2013, 11 OWi 502 Js 2650/12-982/12; Amtsgericht Königstein/Taunus, Urteil vom 08.04.2013; Amtsgericht Berlin/Tiergarten Urteil vom 13.06.2013, 318 OWi 86/13.
Diese Freisprüche durch die Amtsgerichte sind zu begrüßen und stärken die Rechtsposition anderer Betroffener erheblich. Ob sich diese Rechtsauffassung durchsetzt, muss sich allerdings noch zeigen.
Jedenfalls ist eine Verteidigung gegen Bußgeldbescheide, die auf einer Messung mit dem PoliScan speed-System beruhen, ersichtlich keinesfalls aussichtslos, auch wenn es auf den ersten Blick an der Messung nichts auszusetzen gibt.
Wichtig ist, dass Sie als Betroffener zunächst von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen, wenn Sie einen Anhörungsbogen erhalten. Sie sind nicht verpflichtet, Angaben gegenüber den Behörden oder der Polizei zu machen. Des Weiteren muss rechtzeitig Einspruch – binnen 14 Tagen ab Zustellung – gegen den Bußgeldbescheid eingelegt werden. Sodann sollten Sie einen fachkundigen Rechtsanwalt mit Ihrer Verteidigung beauftragen. Nur dieser kann in der Regel die unbedingt erforderliche Einsicht in die amtliche Ermittlungsakte nehmen sowie eine sachgerechte Verteidigung durchführen.
Das Gleiche gilt natürlich, wenn es bereits konkrete Hinweise auf einen Messfehler gibt.