400.000 € Schmerzensgeld für Opfer einer Trunkenheitsfahrt

Das LG Frankenthal hat einem Verkehrsunfallopfer ein für deutsche Verhältnisse auffallend hohes Schmerzensgeld von 400.000 € zugesprochen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Der Kläger war als Beifahrer im Fahrzeug eines betrunkenen Fahrers schwer verletzt worden. Dieser war nachts mit 1,1‰ Blutalkoholgehalt unterwegs, als er mit seinem Fahrzeug von der Straße abkam. Die Verletzungen des Klägers waren so schwer, dass sie zu einer Querschnittslähmung führten.

Sehr hohe Entschädigung wegen Querschnittslähmung und Pflegebedürftigkeit

Nach Auffassung des Landgerichts war der Kläger angeschnallt. Die beklagte Versicherung hatte das Gegenteil behauptet, ein Sachvertändigengutachten bestätigte aber das Angeschnalltsein.  Nach der Vernehmung einer Vielzahl von Zeugen konnte auch nicht nachgewiesen werden, dass der Kläger bei Antritt der Fahrt erkannt hatte, dass der Fahrer alkoholisiert war. Für das Landgericht habe zwar festgestanden, dass die Beteiligten sich zu Beginn des Abends zum gemeinsamen „Vorglühen“ getroffen hätten. Es habe sich jedoch nicht aufklären lassen, ob die Beteiligten auch den weiteren Abend zusammen verbracht und Alkohol getrunken hätten. Nachdem der Kläger inzwischen auch psychisch erheblich unter den Unfallfolgen leide und in einem Pflegeheim leben müsse, sei ein Schmerzensgeld in Höhe von 400.000 Euro angemessen.

LG Frankenthal v. 10.01.2020, Az: 4 O 494/15

Entschädigung bei Vereitelung einer Reise infolge Flugausfalls

Das OLG Celle hat nach einem nun veröffentlichten Urteil entschieden, dass ein Reisender, der vom Ausfall der Reise erst am Flughafen erfährt, Entschädigung bis zur vollen Höhe des Reisepreises erhalten kann. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn weitere erschwerende Umstände hinzukommen,

Der Kläger buchte für sich und seine Familie bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Kos. Der Gesamtpreis betrug 7.008 €. Am Vortag informierte das Reisebüro den Kläger mittags über möglicherweise auftretende Probleme beim für 3.00 Uhr nachts geplanten Hinflug. Auf telefonische Nachfrage des Klägers erklärte die Beklagte nachmittags, dass sie Ersatzflüge beschaffen könne. Die Reise fände statt. Die Familie begab sich daher gegen 1 Uhr nachts zum örtlichen Flughafen. Dort erfuhr der Kläger, dass der Flug ersatzlos gestrichen war. Zurück zu Hause buchte er noch am selben Tag eine Ersatzreise bei der Beklagten mit dem gleichen Ziel, aber einige Tage später und fast 2.000 € teurer. Am neuen Abreisetag begab sich der Kläger mit seiner Familie wieder zum örtlichen Flughafen. Dort erfuhr er, dass der wahrscheinlich Flug überbucht sei, er solle warten. Nach längerer Wartezeit konnte die Familie nicht fliegen. Die Urlaubszeit musste man zu Hause verbringen.

Erstattung des Reisepreises, zusätzlich erheblicher Schadenersatz

Der Kläger fordert mit der Klage Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit in voller Höhe des zweiten, höheren Reisepreises. Diese Forderung steht hier dann neben der sowieso zu erfolgenden  Erstattung des Reisepreises. Der Kläger muss ja nicht für eine Reise bezahlen, die nicht stattfand.  In der ersten Instanz hatte der Kläger vor dem LG Hannover keinen Schadensersatz zugesprochen bekommen. Dem Landgericht reichte offenbar aus, dass der Reisepreis nicht gezahlt werden musste.

Das OLG Celle hingegen hat jetzt darauf hingewiesen, dass dem Kläger Schadensersatz in Höhe von 85% des Reisepreises zusteht. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts rechtfertigen die Umstände die Entschädigungshöhe. Beide Reisen seien sehr kurzfristig abgesagt worden. Dadurch sei eine anderweitige Urlaubsplanung in besonderer Weise erschwert worden. Außerdem handelte es sich um sehr hochpreisige Reisen. Außerdem sei das Verhalten der Beklagten inakzeptabel gewesen. Sie habe die Familie wie eine frei verfügbare „Verschiebemasse“ behandelt, nicht wie rechtlich ihr gleichgeordnete Kunden.

OLG Celle, Urteil vom 10.04.2019, Az.: 11 U 13/19

Urteile aus dem Fluggastrecht und Reiserecht

Das Landgericht Frankfurt hat in seiner auf Reiserecht spezialisierten Kammer mehrere aktuelle Urteile gefällt.

Zur Minderung des Reisepreises bei fehlendem Koffer mit Fotoausrüstung

Einer Reisenden, der am Zielort ein Koffer mit Teilen der Fotoausrüstung fehlte, steht ein Anspruch auf Minderung von 25% des Reisepreises für die Tage ohne Koffer zu.

Kein Reisemangel bei Mitreisenden im Sichtfeld des Kabinenfensters

Kein Reisemangel liegt vor, wenn auf einem Kreuzfahrtschiff vor dem Fenster einer mit Meerblick gebuchten Kabine Mitreisende das Sichtfeld kreuzen. Nach Auffassung des Landgerichts hat der Klägerin klar sein müssen, dass sich auf dem Schiff andere Gäste und Personen befinden, die sich auch außerhalb ihrer Kabinen aufhalten und teilweise das Fenster der Klägerin passieren.

Falsches Fährhaus begründet Rückerstattung des vollen Reisepreises

Einem Reisenden indes, der eine Unterkunft in einem „Fährhaus“ auf Sylt gebucht hat, welches sich tatsächlich in dem Stadtteil „Norddeich“ der Stadt Norden in Ostfriesland befindet, hat einen Anspruch auf Minderung des Reisepreises in voller Höhe.

Rechtzeitig am Gate bei noch offenen Flugzeugtüren

In einem weiteren Urteil sprach die Reiserechtskammer den Reisenden einen Ausgleichsanspruch wegen Nichtbeförderung nach der sogenannten Fluggastrechteverordnung zu.  Da das Bordpersonal alleine der Sphäre des Luftfahrtunternehmens zuzuordnen sei, hätte die Fluggesellschaft diese Personen als Zeugen dafür benennen müssen, dass die Türen des Flugzeugs bereits geschlossen waren. Dieser sekundären Darlegungslast sei das Luftfahrtunternehmen jedoch nicht gerecht geworden. Denn die Passagiere hatten vorgetragen, dass Boarding sei noch nicht abgeschlossen gewesen. Die Türen des Flugzeugs hätten sie noch offen gesehen. Daher sei ein rechtzeitiges Erscheinen der Reisen am Gate zu unterstellen. Neben dem Ausgleichsanspruch erhielten die Reisenden ein Anspruch auf Erstattung ihrer Flugkosten für den versäumten Flug. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter der Rubrik „Verkehrsrecht„.

 

 

 

Bundesgerichtshof – Ausgleichszahlungen nach Fluggastrechteverordnung sind auf reise- und beförderungsvertragliche Ersatzansprüche anzurechnen

Der für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat des BGH hat gestern entschieden, dass Passagiere bei Flugverspätungen oder Flugausfällen keine „doppelte“ Entschädigung verlangen können (Az: X ZR 128/18 und X ZR 165/18). Vielmehr müssen sich die Passagiere in bestimmten Konstellationen bereits erlangte Ausgleichszahlungen jeweils anrechnen lassen. Damit soll eine Überkompensation vermieden werden.

Die Urteile des BGH sind als Klarstellung zu begrüßen und stellen für sich Grundsatzentscheidungen dar. Allerdings sind die betroffenen Sach- und Rechtsfragen so komplex, dass die Urteile sich nicht auf alle Fälle anwenden lassen. Es besteht unseres Erachtens die Gefahr der Irreführung durch die Grundsatzentscheidungen.

Nicht einfach abspeisen sondern prüfen lassen

Wer von einer solchen Situation betroffen ist, sollte sich jetzt nicht einfach mit dem Verweis auf die aktuellen BGH-Urteile zufrieden geben. Die Fluggesellschaften und Reiseveranstalter versuchen immer wieder, die eigenen Kunden zu übervorteilen. Die Airlines zahlen ohne Klage nämlich oft nicht mehr. So bleiben werthaltige Ansprüche der Geschädigten auf der Strecke. Wird jedoch ein Anwalt tätig und das mit Nachdruck, führt das überwiegend doch zum Erfolg für die Passagiere. Scheinbar lohnt die Blockadehaltung sich immer noch für die Airlines, obwohl diese regelmäßig dann auch noch alle Anwalts- und Gerichtskosten zahlen müssen. Denn es gibt weiterhin durchaus Fälle, in denen den betroffenen Passagieren auch neben der Pauschal-Entschädigung nach der FluggastrechteVO noch weitere bedeutende Entschädigungsansprüche zustehen. Es bleibt dabei, dass in jedem einzelnen Fall die jeweiligen Ansprüche sorgfältig geprüft werden müssen.

Ansprüche mit Nachdruck gerichtlich verfolgen
Wir haben in den letzten Monaten eine Vielzahl von Anerkenntnisurteilen gegen Fluggesellschaften vor den Amtsgerichten in Bremen, Hannover und Hamburg erstritten, vor allem gegen Ryanair. Aber auch Urteile gegen die Lufthansa, Tuifly, Sunexpress oder Atlas Global waren dabei. Die Bereitschaft der Airlines, die Sachen vor Gericht bis zum Ende auszufechten ist scheinbar genauso niedrig, wie die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft. Gerne helfen wir betroffenen Passagieren weiter.
Hier geht es zur Pressemitteilung des BGH zu den aktuellen Urteilen, dort gelangt man auch zu den Volltexturteilen. Einen Rechtstipp zum Thema finden Sie hier. Weitere Infos können Sie an diversen Stellen auf dieser Homepage finden.

 

 

Blitzmarathon 2019: In zehn Bundesländern kontrolliert die Polizei

Europaweiter Blitzer-Marathon – auch Bremen macht mit

Seit heute morgen findet wieder ein Blitzmarathon statt. Die Maßnahme ist Teil der „Aktionswoche Geschwindigkeit“. Diese soll Rasern die Gefährlichkeit Ihres Tuns und die Konsequenzen beim Erwischt-werden besonders medienwirksam vor Augen führen.

Niedersachsen macht dieses Jahr nicht mit bei der Aktion. Auch Bremerhaven bleibt außen vor. Und anders als in den Jahren zuvor hat die Bremer Polizei dieses Jahr offensichtlich davon abgesehen, die Messstellen zu veröffentlichen. Demnach wird im gesamten Stadtgebiet geblitzt. „Es wird den ganzen Tag vermehrt kontrolliert“, sagte eine Sprecherin der Polizei dem Weser-Kurier.

Verteidigung gegen Bußgeldbescheide ist möglich

Bußgelder und Fahrverbote können mit rechtlichen Mitteln angegriffen werden. Mit unserer Hilfe können Sie Einblick in die Ermittlungsakte nehmen und die Chancen einer Verteidigung prüfen. Ohne anwaltliche Hilfe kommen Sie als Betroffener regelmäßig nicht weit. Wichtig ist, dass Sie selbst keine Angaben gegenüber der Polizei oder den Behörden machen. Sie haben das Recht zu schweigen. Nutzen Sie es! Versuchen Sie nicht, irgendwelche Ausreden zu erfinden.

Hier finden Sie weitere Tipps für Betroffene und bestimmte Messgeräte:

 

Teure Betrugsmasche beim Autokauf im Internet

Wir warnen dringend und immer wieder vor einer dreisten Betrugsmasche bei Internet-Käufen aller Art, vor allem beim Autokauf. Wer Online ein teures Auto erwerben möchte, muss Vorsicht walten lassen. Hier geht es zum Rechtstipp.

Grundsätzlich sollte man per Vorkasse überhaupt keine kostspieligen Einkäufe bei Fremden tätigen, da stets ein sehr hohes Ausfallrisiko besteht. Insbesondere, wenn der Verkäufer im Ausland sitzt oder ein ausländisches Bankkonto im Spiel ist, sollte man dringend die Finger davon lassen.

 

Führerscheinentzug nach Unfallflucht mit CarSharing-Fahrzeug

Das AG Berlin-Tiergarten hat bereits 2018 entschieden, dass der Fahrer eines CarSharing-Fahrzeugs Unfallflucht begeht wenn er die Unfallmeldung unterlässt, auch wenn bei dem Unfall nur das gemietete Fahrzeug beschädigt wurde.

CarSharing ist anders zu bewerten als „normale“ Miete

Nach der durchaus nachvollziehbaren Auffassung des Amtsgerichts liegt Unfallflucht immer dann vor, wenn ein Fremdschaden beim Unfall entsteht und man sich entfernt. Dies sei auch dann der Fall, wenn nur an dem CarSharing-Fahrzeug ein Schaden entstehe. Der Fahrer unterliegt hier einer Anzeigepflicht gegenüber dem Vermieter. Bei CarSharing sei dies anders zu bewerten als etwa bei einem normalen Mietwagenvertrag. Bei der Rückgabe eines Mietwagens wird das Unternehmen das Fahrzeug üblicherweise prüfen, beim CarSharing aber wird das Fahrzeug an einem beliebigen Platz für den nächsten zufälligen Kunden wieder abgestellt.

8.000 € Schaden sind auf jeden Fall ein bedeutender Fremdschaden

Da auch ein Schaden von über 8.000 Euro entstanden sei, sei auch der Entzug der Fahrerlaubnis gerechtfertigt.

AG Tiergarten, 21.03.2018, Aktenzeichen: (297 Gs) 3012 Js 1679/18 (47/18), 297 Gs 47/18

 

FluggastrechteVO – Annullierung eines Flugs wegen Streik

Die Frage, ob und wann ein Streik dazu führt, dass Passagiere keine Ansprüche gegen die Fluggesellschaft wegen Flugausfall oder Flugverspätung haben, beschäftigt immer wieder die Gerichte.  Weitere Infos zum Thema finden Sie in unserem Newsarchiv oder über die Suchfunktion oben rechts. Oft führt ein Streik dazu, dass ein so genannter außergewöhnlicher Umstand für die Fluggesellschaft angenommen wird.

Bestreikung der Passagierkontrollen am Startflughafen

Der Bundesgerichtshof hat allerdings kürzlich entschieden, dass den Passagieren eines annullierten Flugs auch dann ein Anspruch auf Ausgleichszahlung zustehen kann, wenn die Passagierkontrollen am Startflughafen bestreikt wurden und deshalb nicht gewährleistet war, dass alle Passagiere den Flug erreichen konnten.

Leitsätze:

a) Bei einem Streik geht die Annullierung eines Flugs nur dann auf außergewöhnliche Umstände zurück, wenn der Streik zu Folgen führt, die sich mit zumutbaren Maßnahmen nicht abwenden lassen, und wenn diese Folgen die Annullierung rechtlich oder tatsächlich notwendig machen.

b) Die Notwendigkeit einer Annullierung des Flugs ergibt sich nicht allein daraus, dass zahlreiche für den Flug gebuchte Passagiere infolge eines Streiks der Beschäftigten an den Passagierkontrollen den Flug nicht rechtzeitig erreichen können.

c) Die Annullierung eines Flugs geht nicht auf außergewöhnliche Umstände zurück, wenn bei einem Streik der Beschäftigten an den Passagierkontrollen die Luftsicherungsbehörden keine besonderen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr (wie die Schließung der Kontrollstellen oder die Räumung des Abflugbereichs) ergriffen haben und lediglich die abstrakte Gefahr besteht, dass die Überprüfung der Fluggäste wegen des starken Andrangs auf nur wenige besetzte Kontrollstellen nicht mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt worden sein könnte.

BGH, Urteil vom 4. September 2018 – X ZR 111/17

 

Anspruch eines Neuwagenkäufers auf Ersatzlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs

Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. Oktober 2018, VIII ZR 66/17

Der BGH hat ganz aktuell entschieden, unter welchen Umständen der Käufer eines Neuwagens einen anderen Neuwagen verlangen kann, wenn das gekaufte Auto falsche Warnmeldungen anzeigt. Die Entscheidung des BGH lässt sich auch auf andere Streitfälle übertragen, bei denen ein Käufer mangelhafte Ware erhalten hat. Der BGH entschied, dass der Käufer einen Neuwagen sogar dann verlangen kann, wenn er das mangelhafte Kfz erst versucht hat, reparieren zu lassen.

Neuwagen trotz vorheriger Reparaturversuche

Geklagt hatte der Käufer eines BMW. Das Fahrzeug zeigte wiederholt eine Warnmeldung dahingehend, dass die Kupplung zu heiß sei. Er sollte deshalb immer wieder eine Dreiviertelstunde die Weiterfahrt unterbrechen, um die Kupplung abkühlen zu lassen. Später stellte sich heraus, dass die Kupplung völlig in Ordnung war. Dem Händler gelang mit mehreren Versuchen trotzdem nicht den Mangel hinsichtlich der fehlerhaften Warnmeldungen zu beheben. Der Autokäufer hat laut § 439 BGB in derartigen Fällen die Wahl: Er kann verlangen, dass das Auto repariert wird – oder er verlangt einen anderen Neuwagen als Ersatz . Nach dem neuen Urteil des BGH kann er einen Neuwagen auch dann verlangen, wenn er das Kfz zuvor reparieren lassen wollte. Diese Fallvariante war bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden.

Verhältnismäßigkeit

Die Forderung nach einem weiteren Neuwagen darf jedoch nicht unverhältnismäßig sein. Laut BGH sei im vorliegenden Fall die Gebrauchsfähigkeit des Kfz durch die falschen Warnmeldungen stark eingeschränkt. Mithin sei es nicht unverhältnismäßig, wenn der Käufer einen anderen Neuwagen verlange. Könne der Verkäufer den Mangel allerdings ohne Probleme beseitigen, müsse der Käufer eine Reparatur akzeptieren.

Der BGH verwies den konkreten Fall an die Vorinstanz zurück. Dort muss das Gericht klären, ob der ursprüngliche Fehler evtl. doch noch behoben werden konnte. Denn der Händler hatte zwischenzeitlich ohne Absprache mit dem Käufer eine neue Software aufgespielt, wodurch dem Händler nach der Mangel behoben worden sei.

Pressemeldung des BGH

Auch Reiseveranstalter haften bei Flugausfall

Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck, Urteil vom 14.08.2018, 15 C 101/18

Das Amtsgericht in Osterholz-Scharmbeck hatte gerade über einen Fall unserer Mandantschaft zu entscheiden, die von Ryanair nicht aus Portugal zurück nach Deutschland geflogen wurde. Es handelte sich um einen Flugausfall im Zusammenhang mit einer Pauschalreise. Ryanair verweigerte Entschädigungszahlungen nach der Fluggastrechteverordnung mit Hinweis auf einen außergewöhnlichen Umstand. Selbst wenn dies stimmt, darf der Reiseveranstalter aber den Reisenden nicht einfach hilflos auf sich allein gestellt zurücklassen. Tut er dies doch, dann muss er zumindest die Kosten für die eigen-organisierte Rückreise der Passagiere erstatten.

Was eigentlich wie eine Selbstverständlichkeit klingt, musste erst erkämpft werden. Das rechtskräftige Urteil zitieren wir im Folgenden im Volltext:

 

1. Tatbestand

Der Kläger buchte am 06.08.2017 bei der Beklagten für sich und seine Familie eine Pauschalreise für den Reisezeitraum 03.10.2017 bis 10.10.2017. Neben einem Hotelaufenthalt waren Flüge mit der Fluggesellschaft Ryanair von Bremen nach Faro und zurück am 03.10.2017 bzw. am 10.10.2017 um 18:05 Uhr inbegriffen. Der Reisepreis betrug 1495,- €. Diesen bezahlte der Kläger vor Reiseantritt. Wegen des Inhalts des Reisevertrages im Einzelnen wird auf die Buchung, BI. 6 d.A. Bezug genommen.

Als die Familie am 10.10.2017 per vom Veranstalter organisiertem Shuttle mehrere Stunden von der Abflugzeit den Flughafen Faro erreichte und einchecken wollte, stellte sich heraus, dass der Rückflug ausfiel. Ein Ersatzflug wurde nicht angeboten. Letztlich buchte der Kläger für den 11.10.2017 um 18:35 Uhr selbst einen Ersatzflug mit einer anderen Fluggesellschaft von Faro nach Düsseldorf, von wo aus die Familie mit dem Zug nach Bremen fuhr. Es entstanden Kosten für ein Taxi zum Flughafen in Höhe von 36,- €, den Flug i.H.v. 870,15 € und die Bahnfahrt in Höhe von 95,80 €. Der Kläger forderte die Beklagte durch anwaltliches Schreiben vom 26.10.2017 erfolglos zum Ausgleich der o.g. Kosten bis zum 08.11.2017 auf.

Der Kläger behauptet, er habe ca. 6 Stunden am Schalter der Fluggesellschaft gewartet, um Informationen zum weiteren Ablauf zu bekommen. Während dieser Zeit habe er mehrfach erfolglos versucht, die Beklagte telefonisch zu erreichen, um den Flugausfall zu besprechen und den Rückflug zu klären. Es sei dauer-besetzt gewesen. Auch am Schalter habe er keine konkreten Informationen bekommen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1001,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz seit dem 09.11_2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Flugausfall beruhe auf einem Streik der Flugsicherung in Frankreich. Es sei damit nicht möglich gewesen, den streitgegenständlichen Flug zu absolvieren, da eine sichere Abwicklung aufgrund des ungesicherten Flugraums nicht möglich gewesen sei. 

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin XXX YYY. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Sitzungsprotokoll vom 10.07.2018, Bl. 40 if. d.A.

2. Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache vollen Erfolg. Dem Kläger steht Schadensersatz in beantragter Höhe gem. § 651 f BGB in der Fassung bis zum 31.12.2017 zu. Die von ihm gebuchte Reise wies einen Mangel i.S.d. § 651c BGB auf, denn der Rückflug wurde nicht wie vereinbart geleistet.

Der Anspruch ist auch nicht gem. § 651 d Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Danach bestünde kein Anspruch, wenn es der Reisende schuldhaft unterlassen hätte, den Mangel anzuzeigen. Beweisbelastet ist insoweit der Reisende. Zwar ist unstreitig eine Mangelanzeige nicht erfolgt. Dies erfolgte aber nicht schuldhaft. Der Kläger hat bewiesen, dass er immer wieder versucht hat, den Mangel anzuzeigen, indem er über Stunden erfolglos versuchte, die Beklagte über die in den Reiseunterlagen mitgeteilte Telefonnummer zu erreichen. Hiervon ist das Gericht aufgrund er
Aussage der Zeugin überzeugt, die diese Angaben des Klägers anschaulich bestätigt hat. Zwar verkennt das Gericht nicht, dass diese als Ehefrau und Mitreisende ein erhebliches Interesse
am Ausgang des Rechtsstreits hat. Zusammen mit der plastischen Schilderung des Beklagten selbst und ihrer in sich stimmigen Schilderung ist das Gericht aber davon überzeugt, dass trotz
mehrfacher Versuche des Klägers tatsächlich niemand zu erreichen war. Dazu kommt, dass die Beklagte den geschilderten Sachverhalt gar nicht konkret bestritten hat. Sie hat weder vorgetragen, dass sie erreichbar gewesen wäre, noch in welcher Weise sie dafür gesorgt hat, für die Vielzahl der im Fall eines Flugausfalls zu erwartenden Anrufe erreichbar zu sein. Zudem hat die Beklagte nicht vorgetragen inwieweit sie Abhilfe geleistet hätte, wenn sich der Kläger an sie gewandt hätte. Außerdem ist im vorliegenden Fall des Flugausfalls davon auszugehen, dass
die Beklagte hierüber bereits informiert war.

Der Anspruch ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte den Flugausfall etwa nicht zu vertreten hätte. Hierfür ist die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet. Es fehlt schon
an einem Vortrag dazu, dass der Flug nur über Frankreich möglich war. Tatsächlich konnte eine andere Fluggesellschaft zumindest am nächsten Tag nach Deutschland fliegen, was sich dar-
aus ergibt, dass der Kläger mit seiner Familie transportiert wurde. Wenn der Flug wie von der Klägerin dargelegt, tatsächlich aufgrund eines Streiks der Flugsicherung nicht möglich gewesen
wäre, läge dies allerdings nicht in ihrem Verantwortungsbereich und der Anspruch entfiele. Dies hat der Kläger aber zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten. Zwar hat er vorgerichtlich selbst diese Vermutung geäußert, dies ist aber kein Zugeständnis. Nur weil er wiedergibt, dass er gerüchteweise etwas Derartiges gehört hat, gesteht er nicht den klägerseits nachträglich behaupteten Sachverhalt zu. Der klägerische Vortrag ist damit streitig. Beweis für ihren Vortrag hat die Klägerin auch auf den entsprechenden Hinweis im Termin hin nicht angetreten.

Der Höhe nach stehen dem Kläger die vollen Kosten des Ersatzflugs samt Nebenkosten wie Taxi und Bahnfahrt zu. Die Beklagte bot innerhalb angemessener Zeit keinen Ersatzflug an. Sie selbst trägt nicht vor, wann ein Rückflug möglich gewesen wäre. Dem Vortrag des Klägers, dass dies mehrere Tage gedauert hätte, ist sie nicht substantiiert entgegengetreten. Damit sind die
Kosten des Ersatzflugs erstattungsfähiger Schaden. Den durch Vorlage entsprechender Unterlagen wie Boardingspässen, Kopien des E-Tickets, Taxiquittung und Bahntickets, außerdem
des Kontoauszugs vom 27.10.2017 und der Umsatzaufstellung der Master Card vom 20.10.2017 konkretisierten Vortrag des Beklagten ist die Klägerin nicht konkret entgegengetreten. Das pauschale Bestreiten mit Nichtwissen reicht angesichts der erfolgten Konkretisierung nicht aus. Zudem wurde der Vortrag zum Schaden durch die Zeugin glaubhaft bestätigt. Das Gericht ist mithin auch davon überzeugt, dass dem Kläger die Reisekosten in geltend gemachter Höhe tatsächlich entstanden sind.

Die geltend gemachten Zinsen stehen dem Kläger aus § 286,288 BGB zu.

Die Klage war somit mit den Nebenfolgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO in vollem Umfang zuzusprechen.