Schlagwortarchiv für: Bremen – Nord

Klage gegen das aufgesetzte Gehwegparken in Bremen teilweise erfolgreich

Das VG Bremen hat zu auf Gehwegen aufgesetzt parkenden Pkw entschieden. Die Straßenverkehrsbehörde wurde dazu verpflichtet, erneut über Anträge von Anwohnern zu entscheiden die dieses Parken in Wohnstraßen unterbinden wollen.

Die Kläger sind Eigentümer und Bewohner von Wohnhäusern in Bremen (hier: Östliche Vorstadt, Neustadt und Findorff – das Problem gibt es aber auch in anderen Stadtteilen). In den von ihnen bewohnten Straßen wird seit jeher unerlaubt auf beiden Straßenseiten aufgesetzt geparkt. Anträge auf Einschreiten gegen diese ordnungswidrigen Zustände wurden von der zuständigen Straßenverkehrsbehörde abgelehnt. Die Behörde meinte u.a., keinen Handlungsspielraum zu haben, wenn sich Ordnungsamt, Polizei und kommunaler Ordnungsdienst im ahmen der Gefahrenabwehr aufgrund des ihnen zustehenden Ermessens gegen ein Einschreiten entschieden. Mit ihrer Klage machten die Kläger geltend, dass die Straßenverkehrsbehörde geeignete Maßnahmen gegen das aufgesetzte Gehwegparken ergreifen und anschließend evaluieren müsse. Sie könne beispielsweise anordnen, dass die Autos entfernt werden, Zwangsmittel anwenden, Pfähle installieren oder Verkehrsschilder aufstellen. Der ordnungswidrige Zustand müsse auf jeden Fall beendet werden, da die Gehwege durch das aufgesetzte Gehwegparken zu eng seien.

Dem ist das Bremer Verwaltungsgericht im Wesentlichen gefolgt. Die Vorschriften, aus denen das grundsätzliche Verbot des Gehwegparkens folgt (§ 12 Abs. 4 und 4a StVO), dienten nicht nur dem Interesse der Allgemeinheit, sondern auch dem der konkret betroffenen Anwohner. Aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls dürfe sich die Straßenverkehrsbehörde auch nicht grundsätzlich gegen ein Einschreiten entscheiden. Die Straßenverkehrsbehörde könne die Anwohner auch nicht darauf verweisen, sich an die Ordnungsbehörden zu wenden. Diese schreiten in den betroffenen Wohnstraßen in der Regel nicht ein, so dass die Kläger damit faktisch rechtsschutzlos gestellt wären. Auch die betroffenen Autofahrer könnten sich nicht auf ein „Gewohnheitsrecht“ berufen.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens hat die Kammer die Berufung gegen das Urteil zugelassen. Der Verfahrensgegenstand ist in vielen Teilen Bremens ein Politikum, da niemand weiß, wo die betroffenen Autofahrer sonst parken sollen. Öffentliche Parkplätze in einem zumutbaren Rahmen fehlen. Es liegt indes auf der Hand, dass auch die Anwohner berechtigte Interessen haben.

VG Bremen, 22.02.2022, Aktenzeichen: 5 K 1968/19

Auch Reiseveranstalter haften bei Flugausfall

Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck, Urteil vom 14.08.2018, 15 C 101/18

Das Amtsgericht in Osterholz-Scharmbeck hatte gerade über einen Fall unserer Mandantschaft zu entscheiden, die von Ryanair nicht aus Portugal zurück nach Deutschland geflogen wurde. Es handelte sich um einen Flugausfall im Zusammenhang mit einer Pauschalreise. Ryanair verweigerte Entschädigungszahlungen nach der Fluggastrechteverordnung mit Hinweis auf einen außergewöhnlichen Umstand. Selbst wenn dies stimmt, darf der Reiseveranstalter aber den Reisenden nicht einfach hilflos auf sich allein gestellt zurücklassen. Tut er dies doch, dann muss er zumindest die Kosten für die eigen-organisierte Rückreise der Passagiere erstatten.

Was eigentlich wie eine Selbstverständlichkeit klingt, musste erst erkämpft werden. Das rechtskräftige Urteil zitieren wir im Folgenden im Volltext:

 

1. Tatbestand

Der Kläger buchte am 06.08.2017 bei der Beklagten für sich und seine Familie eine Pauschalreise für den Reisezeitraum 03.10.2017 bis 10.10.2017. Neben einem Hotelaufenthalt waren Flüge mit der Fluggesellschaft Ryanair von Bremen nach Faro und zurück am 03.10.2017 bzw. am 10.10.2017 um 18:05 Uhr inbegriffen. Der Reisepreis betrug 1495,- €. Diesen bezahlte der Kläger vor Reiseantritt. Wegen des Inhalts des Reisevertrages im Einzelnen wird auf die Buchung, BI. 6 d.A. Bezug genommen.

Als die Familie am 10.10.2017 per vom Veranstalter organisiertem Shuttle mehrere Stunden von der Abflugzeit den Flughafen Faro erreichte und einchecken wollte, stellte sich heraus, dass der Rückflug ausfiel. Ein Ersatzflug wurde nicht angeboten. Letztlich buchte der Kläger für den 11.10.2017 um 18:35 Uhr selbst einen Ersatzflug mit einer anderen Fluggesellschaft von Faro nach Düsseldorf, von wo aus die Familie mit dem Zug nach Bremen fuhr. Es entstanden Kosten für ein Taxi zum Flughafen in Höhe von 36,- €, den Flug i.H.v. 870,15 € und die Bahnfahrt in Höhe von 95,80 €. Der Kläger forderte die Beklagte durch anwaltliches Schreiben vom 26.10.2017 erfolglos zum Ausgleich der o.g. Kosten bis zum 08.11.2017 auf.

Der Kläger behauptet, er habe ca. 6 Stunden am Schalter der Fluggesellschaft gewartet, um Informationen zum weiteren Ablauf zu bekommen. Während dieser Zeit habe er mehrfach erfolglos versucht, die Beklagte telefonisch zu erreichen, um den Flugausfall zu besprechen und den Rückflug zu klären. Es sei dauer-besetzt gewesen. Auch am Schalter habe er keine konkreten Informationen bekommen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1001,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz seit dem 09.11_2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Flugausfall beruhe auf einem Streik der Flugsicherung in Frankreich. Es sei damit nicht möglich gewesen, den streitgegenständlichen Flug zu absolvieren, da eine sichere Abwicklung aufgrund des ungesicherten Flugraums nicht möglich gewesen sei. 

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin XXX YYY. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Sitzungsprotokoll vom 10.07.2018, Bl. 40 if. d.A.

2. Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache vollen Erfolg. Dem Kläger steht Schadensersatz in beantragter Höhe gem. § 651 f BGB in der Fassung bis zum 31.12.2017 zu. Die von ihm gebuchte Reise wies einen Mangel i.S.d. § 651c BGB auf, denn der Rückflug wurde nicht wie vereinbart geleistet.

Der Anspruch ist auch nicht gem. § 651 d Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Danach bestünde kein Anspruch, wenn es der Reisende schuldhaft unterlassen hätte, den Mangel anzuzeigen. Beweisbelastet ist insoweit der Reisende. Zwar ist unstreitig eine Mangelanzeige nicht erfolgt. Dies erfolgte aber nicht schuldhaft. Der Kläger hat bewiesen, dass er immer wieder versucht hat, den Mangel anzuzeigen, indem er über Stunden erfolglos versuchte, die Beklagte über die in den Reiseunterlagen mitgeteilte Telefonnummer zu erreichen. Hiervon ist das Gericht aufgrund er
Aussage der Zeugin überzeugt, die diese Angaben des Klägers anschaulich bestätigt hat. Zwar verkennt das Gericht nicht, dass diese als Ehefrau und Mitreisende ein erhebliches Interesse
am Ausgang des Rechtsstreits hat. Zusammen mit der plastischen Schilderung des Beklagten selbst und ihrer in sich stimmigen Schilderung ist das Gericht aber davon überzeugt, dass trotz
mehrfacher Versuche des Klägers tatsächlich niemand zu erreichen war. Dazu kommt, dass die Beklagte den geschilderten Sachverhalt gar nicht konkret bestritten hat. Sie hat weder vorgetragen, dass sie erreichbar gewesen wäre, noch in welcher Weise sie dafür gesorgt hat, für die Vielzahl der im Fall eines Flugausfalls zu erwartenden Anrufe erreichbar zu sein. Zudem hat die Beklagte nicht vorgetragen inwieweit sie Abhilfe geleistet hätte, wenn sich der Kläger an sie gewandt hätte. Außerdem ist im vorliegenden Fall des Flugausfalls davon auszugehen, dass
die Beklagte hierüber bereits informiert war.

Der Anspruch ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte den Flugausfall etwa nicht zu vertreten hätte. Hierfür ist die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet. Es fehlt schon
an einem Vortrag dazu, dass der Flug nur über Frankreich möglich war. Tatsächlich konnte eine andere Fluggesellschaft zumindest am nächsten Tag nach Deutschland fliegen, was sich dar-
aus ergibt, dass der Kläger mit seiner Familie transportiert wurde. Wenn der Flug wie von der Klägerin dargelegt, tatsächlich aufgrund eines Streiks der Flugsicherung nicht möglich gewesen
wäre, läge dies allerdings nicht in ihrem Verantwortungsbereich und der Anspruch entfiele. Dies hat der Kläger aber zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten. Zwar hat er vorgerichtlich selbst diese Vermutung geäußert, dies ist aber kein Zugeständnis. Nur weil er wiedergibt, dass er gerüchteweise etwas Derartiges gehört hat, gesteht er nicht den klägerseits nachträglich behaupteten Sachverhalt zu. Der klägerische Vortrag ist damit streitig. Beweis für ihren Vortrag hat die Klägerin auch auf den entsprechenden Hinweis im Termin hin nicht angetreten.

Der Höhe nach stehen dem Kläger die vollen Kosten des Ersatzflugs samt Nebenkosten wie Taxi und Bahnfahrt zu. Die Beklagte bot innerhalb angemessener Zeit keinen Ersatzflug an. Sie selbst trägt nicht vor, wann ein Rückflug möglich gewesen wäre. Dem Vortrag des Klägers, dass dies mehrere Tage gedauert hätte, ist sie nicht substantiiert entgegengetreten. Damit sind die
Kosten des Ersatzflugs erstattungsfähiger Schaden. Den durch Vorlage entsprechender Unterlagen wie Boardingspässen, Kopien des E-Tickets, Taxiquittung und Bahntickets, außerdem
des Kontoauszugs vom 27.10.2017 und der Umsatzaufstellung der Master Card vom 20.10.2017 konkretisierten Vortrag des Beklagten ist die Klägerin nicht konkret entgegengetreten. Das pauschale Bestreiten mit Nichtwissen reicht angesichts der erfolgten Konkretisierung nicht aus. Zudem wurde der Vortrag zum Schaden durch die Zeugin glaubhaft bestätigt. Das Gericht ist mithin auch davon überzeugt, dass dem Kläger die Reisekosten in geltend gemachter Höhe tatsächlich entstanden sind.

Die geltend gemachten Zinsen stehen dem Kläger aus § 286,288 BGB zu.

Die Klage war somit mit den Nebenfolgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO in vollem Umfang zuzusprechen.

OLG Hamm – Maßvolle Überschreitung der Richtgeschwindigkeit bedeutet nicht automatisch Mithaftung

Auf deutsche Autobahnen herrscht die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h. Wird diese überschritten und kommt es in diesem Zusammenhang zu einem Unfall, dann könnte man argumentieren, dass die „Raserei“ allein zu einer Mithaftung des Schnellfahrers führen müsse.

Dem ist aber nicht ohne Weiteres so. Das OLG Hamm bestätigte jetzt, dass man zumindest nicht nur deshalb mit haftet, weil man mit 20 km/h über der Richtgeschwindigkeit unterwegs ist.

Im Kontext kann man das Urteil wohl als allgemein vertretbar betrachten. Ein anderes Ergebnis wird man in Betracht ziehen müssen, wenn die Richtgeschwindigkeit deutlich überschritten wird, etwa um 50 km/h oder mehr. Denn dann steigert sich durchaus die Betriebsgefahr, was bei einem Unfall mit einem Spurwechsler berücksichtigt werden muss.

OLG Hamm, Beschlüsse des 7. Zivilsenats vom 21.12.2017 und 08.02.2018 (Az. 7 U 39/17 OLG Hamm)

Zur Erforderlichkeit eines Ersatzwagens nach einem Verkehrsunfall

Das OLG Hamm hat entschieden, dass bei einer geringen Fahrleistung das Anmieten eines Ersatzwagens nach einem Verkehrsunfall als nicht erforderlich angesehen werden kann und dem Geschädigten dann im Zweifel nur eine Nutzungsausfallentschädigung zusteht.

Im zu entscheidenden Fall waren nach einem im Übrigen unstreitgen Unfall Mietwagenkosten in Höhe von mehr als 1200 € geltend gemacht worden. Der Geschädigte hatte aber in den 11 Tagen Mietzeit nur 239 km zurückgelegt. Das OLG Hamm hat die ablehnende Entscheidung des LG Bielefeld (2 O 203/16) zu den Mietwagenkosten bestätigt und dem Kläger – anstelle der Mietwagenkosten – nur einen Nutzungsausfallschaden in Höhe von 115 € zugesprochen.

Das OLG nimmt an, dass ein tägliches Fahrbedürfnis von nur 16 km am Tag ein Anhaltspunkt für einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht darstellt, wenn der Kläger nichts weiter dazu verträgt. Bei dieser Situation habe sich dem Kläger aufdrängen müssen, dass Mietwagenkosten von ca. 111 Euro pro Tag die bei seinen Fahrten voraussichtlich anfallenden Taxikosten um ein Mehrfaches übersteigen würden.

OLG Hamm, Urteil vom 23.01.2018, 7 U 46/17

„Rufmord“- Urteil: Google muss Suchinhalte nicht vorab prüfen

Heute hat der BGH entschieden, dass der Anbieter einer Internet-Suchmaschine (hier: Google) nicht verpflichtet ist, sich vor der Anzeige eines Suchergebnisses zu vergewissern, ob die von den Algorithmen aufgefundenen Inhalte Persönlichkeitsrechtsverletzungen beinhalten. Der Suchmaschinenbetreiber muss erst dann reagieren, wenn er durch einen konkreten Hinweis von einer offensichtlichen und klar erkennbaren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Kenntnis erlangt.

Bundegerichtshof, Urteil vom 27. Februar 2018 – VI ZR 489/16

Haftung nach Verkehrsunfall: Auffahrunfall an grüner Ampel wegen Martinshorn

Das LG Hamburg hat entschieden, dass ein Autofahrer, der das Martinshorn eines Einsatzfahrzeugs hört, schnellstmöglich herausfinden muss, von wo sich das Einsatzfahrzeug nähert. Aus diesem Grund darf er auch an einer grünen Ampel bremsen.

Fahre ein anderer Fahrer dann hinten auf, müsse dieser den Schaden des Vordermannes komplett ersetzen. Ein Verkehrsverstoß des Bremsers liege nur dann vor, wenn es sich bei grün um eine starke Bremsung ohne zwingenden Grund handele. Ein zwingender Grund liegt aber auch dann vor, wenn das Einsatzfahrzeug nur in der Nähe zu hören ist, es muss sich nicht unbedingt der Unfallstelle tatsächlich genähert haben.

LG Hamburg, Urteil vom 21.10.2016, 306 O 141/16

Mobiltelefon ausgeschaltet? Kontrolle am Steuer ist Ordnungswidrigkeit!

Wenn Sie während der Fahrt mit Ihrem PKW das Mobiltelefon in den Händen halten und mittels des Home-Buttons kontrollieren, ob das Telefon ausgeschaltet ist, begehen Sie eine Ordnungswidrigkeit, die mit Bußgeld und Punkten bedroht ist.

Das meint jedenfall das OLG Hamm in einer weiteren aktuellen Entscheidung vom 20.06.2017 zu diesem Themenkomplex. Bereits gestern berichteten wir von einem anderen Szenario.

Handyverbot der StVO erfasst auch Smartphones ohne SIM-Karte

Das OLG Hamm hat entschieden, dass auch dann gegen die einschlägige Verbotsvorschrift des § 23 Absatz 1a StVO verstoßen wird, wenn der Fahrer während der Fahrt sein Mobiltelefon in den Händen hält und Musik abspielen lässt, auch wenn in das Mobiltelefon keine SIM-Karte eingelegt ist.

 

Entschädigungsleistungen für Flugverspätungen in Sachen TUIfly

Im Oktober 2016 sorgten massenhafte Flugverspätungen und Flugausfälle insbesondere bei Flügen der Airline TUIfly für Aufruhr. Tausende Passagiere kamen verspätet oder gar nicht ans Reiseziel.

Nach der Fluggastrechteverordnung stehen dem Passagier in den meisten Fällen erhebliche Entschädigungsleistungen zu. Zu den Regelungen der Verordnung haben wir einen eigenen Rechtstipp bereitgestellt.

Es ist grundsätzlich so, dass die Airlines versuchen, sich um diese teuren Zahlungen zu drücken. Obwohl mittlerweile viele Kunden die Ansprüche anmelden, reagieren die Airlines oft erst mal gar nicht, und zwar monatelang. Im Idealfall erhält der Passagier aber wenigstens eine Zahlung, wenn ein Anwalt eingeschaltet wurde. Interessant ist in diesen Fällen, dass die Fluggesellschaften dann trotzdem nicht die Anwaltskosten tragen wollen – mit der Begründung, die Einschaltung des Anwalts sei nicht notwendig gewesen.

Immer häufiger tritt allerdings der Fall ein, dass auch wir Anwälte außergerichtlich nicht zum Erfolg kommen. Die Airlines spekulieren offensichtlich darauf, dass die Geschädigten ein teures und langwieriges Gerichtsverfahren scheuen. Tatsächlich ist es aber so, dass in der weit überwiegenden Zahl der Fälle sofort nach Klageerhebung die Zahlung durch die Airline erfolgt. Die Gesellschaften müssen dann auch noch alle Anwalts- und Gerichtskosten übernehmen. Dies nimmt man dort scheinbar lieber in Kauf, als alle Kunden gleich anspruchsgerecht zu entschädigen.

Unsere Kanzlei konnte also schon in vielen Fällen den Mandanten zu ihrem Recht verhelfen, sei es vorgerichtlich oder durch Klageerhebung mit dann sofort erfolgter Zahlung durch die Fluggesellschaft.

Anders verhält es sich allerdings in Sachen TUIfly aufgrund der Ereignisse im Herbst 2016. Hier setzt sich die Fluggesellschaft bisher in jedem bekannte Fall auch nach der Klageerhebung zur Wehr. Allein am Amtsgericht Hannover sollen ca. 1.500 Klageverfahren anhängig sein. Die Zahlungsverweigerung begründet das Unternehmen damit, dass die massenhaften Verspätungen und Ausfälle nicht Folge einer Krankheitswelle, sondern eines wilden Streiks gewesen sei. Dies sei vergleichbar mit höherer Gewalt und daher als außergewöhnlicher Umstand nicht zu entschädigen.

Die von uns geführten Klageverfahren gegen TUIfly in diesem Zusammenhang sind noch nicht abgeschlossen und auch noch nicht entcheidungsreif, sondern „mittendrin“. Soweit erkennbar gibt es bisher vor allem zwei Urteile des AG Hannover, in welchen die TUIfly zur Zahlung verurteilt wurde. Die Urteile sind schwer zu finden, eines ist unter dem folgenden Link im Volltext verfügbar: AG Hannover, Urteil vom 15. Februar 2017, Az. 538 C 11921/16.

Insgesamt ist die Rechtslage unübersichtlich. Die Gerichte entscheiden jeweils im Einzelfall. Pauchale Behauptungen reichen dabei weder auf Klägerseite noch auf Seiten der Airline. Der Mandant/ Kläger muss seine Ansprüche konkret darlegen, TUIfly muss im Gegenzug wohl beweisen, dass es einen wilden Streik überhaupt gegeben hat und dass gerade deEinr entsprechende Flug davon betroffen war.

Es liegt auf der Hand, dass ein Passagier dies ohne anwaltliche Hilfe kaum bewältigen kann. Sprechen Sie uns gerne an, wir verfügen über die notwendigen Kenntnisse, damit Ihre Ansprüche gegen alle Widrigkeiten Geltung erhalten.

Ob die angesprochenen Urteile rechtskräftig geworden sind oder ob TUIfly in die Berufung gegangen ist, ist noch nicht bekannt. Indes könnte es sein, dass letzlich der EuGH die Streitigkeiten grundsätzlich entscheidet. Acht Vorlagebeschlüsse eines Richters am AG Hannover sind an den EuGH gerichtet worden.  Die Verfahren werden so lange ausgesetzt. Mit einer Entscheidung ist dann in ca. 18 Monaten zu rechnen.

Die nicht vorgelegten Verfahren werden wohl trotzdem entschieden werden – ob Rechtskraft eintritt, wir sich zeigen. Wir halten Sie auf dem Laufenden. Die Ansprüche aus den Ereignissen des Herbst 2016 verjähren im Übrigen Ende 2019, wenn bis dahin nicht die entsprechende Klage erhoben wurde.

 

Poliscan Speed – Verfahrenseinstellung vor dem AG Bremen

In einem Bußgeldverfahren vor dem Amtsgerich Bremen haben wir erneut einen Erfolg für den Mandanten verbuchen können, diesmal etwas spezieller. Dem Mandanten war eine deutliche Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen worden. Geblitzt wurde er mit dem Messgerät Poliscan Speed. Das Geschwindigkeitsmessgerät ist immer wieder der Kritik von Verkahrsanwälten und anderen Fachleuten ausgesetzt, gilt jedoch unter denen, die es einsetzen, als unfehlbar.

An der Unfehlbarkeit darf weiter gezweifelt werden. So auch hier. In der Verteidungsschrift hatten wir Einspruch gegen den Bußgeldbeischeid des Stadtamtes Bremen eingelegt und diversen Kritikpunkte an der Messung vorgetragen. U.a. war das Beweisfoto seltsam belichtet und wies eine Art Tunnelblickperspektive auf.

Weder das Stadtamt noch das Gericht wollte sich augenscheinlich für die Argumente interessieren. Das Verfahren lief über Monate ereignislos. Zwei Hauptverhandlungstermine wurden aufgehoben.

Plötzlich erging aus heiterem Himmel ein Einstellungsbeschluss des Amtsgerichts. Der Beschluss des AG Bremen im Volltext:

Amtsgericht Bremen
Beschluss
74 OWi 620 Je 4206116 (4311 6)

In der Bußgeldsache gegen
XXXX YYYY,
geboren am XX.YY.ZZZZ in P., wohnhaft H., 28717 Bremen, Staatsangehörigkeit: nicht bekannt,
Verteidiger: Rechtsanwalt Christoph Birk, Rotdornallee 1 A, 28717 Bremen
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat das Amtsgericht – Abteilung für Straf- und Bußgeldsachen – Bremen durch die Richterin am Amtsgericht XXXX am 01.11.2016 beschlossen:
Das Verfahren wird wegen eines Verfahrenshindernisses gemäß 206a Strafprozessordnung
(StPO) i.V.m. § 46 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) auf. Kosten der Staatskasse eingestellt.
Die notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Staatskasse nicht auferlegt (§ 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG).
Gründe:
Es besteht ein Verfahrenshindernis nach § 206a StPO, da eine ordnungsgemäße Akte nicht vorliegt und auch nicht vorgelegt werden kann. Übersandt wurde der Ausdruck einer bei der Verwaltungsbehörde elektronisch geführten Akte, die nicht die von § 110 b Abs. 2 OWiG vorgeschriebenen Vermerke aufweist, obwohl die Akte offensichtlich eingescannte Dokumente enthält. § 110b Abs. 3 OWiG regelt, dass ein elektronisches Dokument, das unter Beachtung von § 110b Abs. 2 OWiG erstellt wurde, grundsätzlich die Papierakte ersetzt und für das Verfahren zugrunde zu legen ist. Ein Ausdruck dieseselektronischen Dokuments kann dann auch nach §§ 110b Abs. 3, 110d Abs. 3 OWiG für das gesamte weitere Verfahren, also auch das Gerichtsverfahren, die Akte darstellen. Wenn aber die elektronische Akte nicht ordnungsgemäß erstellt wird, dann ist der Ausdruck der elektronischen Akte im Umkehrschluss
zu §§ 110b Abs. 3, 110d Abs. 3 OWiG nicht dem Verfahren zugrunde zu legen.
Entgegen § 110b Abs. 2 S.3 OWiG konnten trotz Anforderung binnen zwei Monaten weder die Originalunterlagen noch ein dem § 110b Abs. 2 OWiG entsprechender Ausdruck von der Verwaltungsbehörde vorgelegt werden, weshalb davon ausgegangen werden muss, dass eine ordnungsgemäße Akte vor Verjährungseintritt auch nicht mehr hergestellt werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO, wobei zu berücksichtigen war, dass bei Übersendung der Unterlagen im Original oder mit Vermerken nach § 110b Abs. 2 OWiG aufgrund der vorliegenden Ausdrucke davon auszugehen ist, dass eine Verurteilung des Betroffenen wegen der ihm vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war.

Das Ergebnis zählt. Für den Mandanten bleibt der angebliche Tempoverstoß damit folgenlos. Die Begründung ist letztlich skurril. Was genau dahinter steckt, wird man nicht mehr ermitteln können.

Jedenfalls zeigt das Verfahren, nach den uns vorliegenden Informationen kein Einzelfall, dass sich selbst in vermeintlich aussichtslosen Fällen die Verteidigung gegen einen Bußgeldbescheid lohnen kann. In der Regel ist dies leider nicht ohne anwaltliche Hilfe erfolgversprechend.